(kein Schreibstau, nur fast keine Zeit, all die Eindrücke zu verarbeiten)
Nun, vom Marathon hat man in der Tat nicht viel gemerkt, nur einzelne Buslinien in der zentralen Einfallachse fielen aus, ich hatte mir das schlimmer vorgestellt. Ich schlief nochmals lange, packte dann meine Sachen und checkte gegen elf Uhr im Hotel aus, den grossen Koffer liess ich noch hier eingestellt. Bei einem nahem Bagel-Laden gabs dann erst mal einen Brunch, bevor ich den direkten Weg auf den Mont Royal unter die Füsse nahm. Man kann nämlich auch hier rauf aus der Stadt auf den Hausberg. Der direkte (Fuss-)Weg führt über ein langes Treppensystem, Le Grand Escalier du Mont Royal (diverse Informationen über die Anzahl Stufen, laut Wikipedia 525), bis hoch zum Chalet, dem „Berghaus“. Der lange Aufstieg wird mit einer tollen Aussicht über die City belohnt. Wir waren 2001 auch schon hier, aber wahrscheinlich hintenrum mit dem Auto hochgefahren. Hinter dem Chalet lädt ein grosser Park zum Verweilen, verschiedene Spazierwege führen dann noch zum „Gipfel“, wo ein grosses eisernes Kreuz steht. So bummelte ich dort den halben Nachmittag lang durch die Wälder, machte mich dann später wieder an den Abstieg, der viel weniger anstrengend war, als obsi. Wieder unten in der City angekommen belohnte ich mich erstmal mit einem erfrischenden Pint Bier aus lokaler Brauerei. Ich hatte noch etwas Zeit, meine Wochenend-öV-Karte aufzubrauchen und fuhr noch bis zum Ende der Grünen Linie und zurück. Dann wurde es aber Zeit, im Hotel den Koffer zu holen, damit gings gleich zur nahem Gare Centrale, wo mein Zug nach Halifax um 18.30 abfahren sollte. Ich meldete mich in der VIA-Lounge, fragte, wie das nun mit dem Gepäck aufgeben sei und wurde zur Gepäckabgabe auf der anderen Seite der Bahnhofhalle geschickt, dort konnte ich den grossen Koffer freiwillig einchecken, da mein Abteil wohl etwas eng sein wird. Zurück in der Lounge konnte ich auch noch gleich meinen Wunsch fürs Nachtessen platzieren, gleich um 19.00, ich hatte Hunger. Doch dann hatte Zug 14 schon mal eine halbe Stunde Verspätung wegen delayed Boarding, dabei waren die, die eigentlich boarden wollten, ja schon längst da. Zuerst wurden aber noch zwei andere Züge nach Toronto und Quebec zur Abfahrt aufgerufen (man muss in der Lounge bleiben bzw. in der Warteschlange vor dem Abgang zum Perron, um zu erfahren, wann der Zug bereit ist) es verblieben ein paar wenige Passagiere in der Lounge, die sich langsam fragten, ob man sie vergessen hat, da keine ausreichende Info erfolgte. Dann wurde Zug 14 aber doch aufgerufen, und ich durfte dann noch bis ganz vorne laufen, um meinen Wagen 41 zu erreichen. Das Abteil ist wirklich klein und kompakt, hat aber alles praktisch und ausklappbar eingebaut, und auch der grosse Koffer hätte eigentlich Platz gehabt, wenn mans gewusst hätte…
Los gings dann mit etwa einer Stunde Verspätung gegen 19.30, und statt das Abteil einrichten zu können, wurde ich gleich in den Speisewagen zum Souper von 19.00 gebeten. Also füllte ich mir zuerst den Magen mit einem feinen Braten, Gemüse und Dessert, um nach dem Rückmarsch durch neun Wagen vom Speise- bis zu meinem Schlafwagen endlich mal zu erkunden, was das Abteil alles zu bieten hat. Ausklappbares Bett, ausklappbares Waschbecken, ein WC, das aber bei ausgeklapptem Bett nicht benützbar ist (für mich der manchmal nachts auch mal müsste…), dazu doch noch recht viel Stauraum, Rucksack und Koffer hätten gerade Platz, Strom fürs Handy hats auch und verschiedene helle oder diffuse Beleuchtungsstufen. Der Wagen selber mit seinen verschachtelten Schlafabteilen in drei verschiedenen Tarifstufen (Einzel, Doppel oder offene) ist aber ein alter Amerikaner, schätze mindestens 30jährig. Interessanterweise besteht die hintere Hälfte des Zuges dann aus Wagen, die ursprünglich von British Rail für Nachtzüge durch den Kanaltunnel bestellt worden sind, die aber dort nie zum Einsatz kamen, weil es aus verschiedensten Gründen im Eurotunnel gar nie Nachtzüge gegeben hat. Wäre ja zu schön, mal von Kontinentaleuropa im Nachtsprung mit dem Zug nach London, oder nach Paris und umsteigen und direkt nach Schottland (ich träume weiter…) Die Wagen hat VIA rail, die Kanadische Bahngesellschaft für den Personenverkehr, übernommen und setzt zumindest die doch komfortablen Sitzwagen nun im „Ocean“ ein. Der Speisewagen gehört auch dazu.
Ich blieb noch etwas wach, wollte beobachten, wie das so beim Zwischenhalt in Ste Foy vor sich geht. Dort zweigt der Zug nämlich von der Strecke ab und fährt über eine Brücke auf die andere Seite des St. Lorenz-Stroms, wo er im Vorort Ste Foy die Reisenden aus Quebec aufnimmt. Dann muss er die Fahrrichtung wechseln und wieder über die Brücke zurück auf die Hauptlinie. Es hat dort auch eine Verbindungslinie, so dass man direkt weiterfahren könnte. An der Abzweigung wurden wir schon von einem Bautrupp erwartet, der sich anscheinend aufmachte, gleich nach unserer Durchfahrt auf die Strecke zu gehen. Ich freute mich schon auf einen Fahrrichtungswechsel, denn seit Montreal war ich in meinem Abteil sitzend rückwärts gefahren, dass müsste jetzt nicht die ganzen 22 Stunden so bleiben. Nachdem die Passagiere eingestiegen waren zog der Zug noch in die falsche Richtung vor, um den Weichenbereich abzudecken, dann erwartete ich eigentlich das Umfahren der Loks, doch kurz darauf setzte er sich rückwärts in Bewegung. Wie der Zug mit Loks bespannt war, konnte man leider weder in Montreal noch in Dunklen draussen feststellen; vielleicht hatten wir ja für diesen speziellen Fall beidseitig eine angehängt, dachte ich. Nun ging es also etwa 7 km, fast eine Viertelstunde rückwärts wieder über die lange Brücke, die Verbindungslinie wurde links liegengelassen (mir schwante Böses), bis hinter die Abzweigweiche, die wir bei der Anfahrt schon mal befahren hatten, dort wechselte wieder die Richtung und nach einem kurzen Halt ging es, so wie wir gekommen waren, weiter Richtung New Brunswick. Die ganze Übung dauerte eine knappe Stunde und war nicht unbedingt dem Aufholen der bereits mitgebrachten Verspätung förderlich… Ich hatte genug gesehen und legte mich schlafen und schlief recht gut.